CEO-Duell: Medienmanager gegen Medienmanager

Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner und Thomas Rabe, CEO bei Bertelsmann, sind die wichtigsten deutschen Medienmanager. Beide müssen ihre Unternehmen transformieren und ihre Medienmarken digital ausrichten. Wie treten sie öffentlich auf ?

Zwei Patriarchinnen. Die eine war ursprünglich Kindermädchen, die andere Telefonistin. 1958 traf die damals 17-jährige Liz Mohn ihren späteren Mann bei einer Firmenfeier. Sie tanzten Walzer und waren die Letzten bei dem Spiel „Die Reise nach Jerusalem“. In jener Nacht kam Liz Mohn, die damals noch Beckmann hieß, erst um fünf Uhr morgens nach Hause, schrieb sie später in ihrer Autobiografie. Bei der anderen begann der Aufstieg mit einer Zeitungsanzeige: „Villenhaushalt sucht Kindermädchen.“ Das war 1965 und Friede Springer, die damals noch Riewerts hieß, war 23 Jahre alt.

Liz Mohn und Friede Springer beerbten ihre Männer und führten ihre Konzerne als unumstrittene Patriarchinnen – die eine in Gütersloh, die andere in Berlin. Jetzt sind beide über 80 und langsam verschwinden ihre Namen aus den Schlagzeilen.

Axel Springer beschäftigt heute rund 16.000 Angestellte und erreichte 2019 einen Umsatz von 3,1 Milliarden Euro. Neben „Bild“, „Welt“, „Business Insider“, Nachrichtensendern und dem US-Portal „Politico“ gehören dutzende Online-Plattformen zum Unternehmen. Rund drei Viertel des Umsatzes erzielt Springer inzwischen mit digitalen Plattformen.

Bertelsmann ist stiller – und deutlich größer. 145.000 Personen beschäftigt das Konglomerat weltweit und erzielt fast 19 Milliarden Euro Umsatz. Zu den Flaggschiffen gehören die RTL-Gruppe mit dem Zeitschriftenverlag Gruner + Jahr, Buch- und Musikverlage, Callcenter-Betreiber und Bildungsanbieter.

Wie ist ihr Bild in der Öffentlichkeit?

Thomas Rabe ist CEO von Bertelsmann und gleich­zeitig Chef der RTL Group. Foto: Bertelsmann

Seit Anfang 2012 steht Rabe an der Spitze des Gütersloher Gemischtwarenladens. Er wuchs in Brüssel auf, wo der Vater als Beamter für die Europäische Montanunion arbeitete, die Vorläuferorganisation der EU. Rabe besuchte internationale Schulen, spielte Bass in einer Punkband und studierte später Wirtschaftswissenschaften in Aachen und Köln. Nach seinem Abschluss arbeitete er zunächst in Brüssel bei der Europäischen Kommission, später bei einer internationalen Anwaltskanzlei und ab 1991 bei der Treuhand, wo er für die Privatisierung des Stasi-Vermögens zuständig war. Nach mehreren anderen Stationen wechselte er im Jahr 2000 als Finanzvorstand zur RTL Group. Fünf Jahre später holte ihn Bertelsmann als CFO nach Gütersloh.

Dort erwarb er sich schnell den Ruf des Angreifers und blitzgescheiten Kopfmenschen. Er war ungeduldig und zeigte das auch. Er wirkte wie das genaue Gegenteil des glücklosen Vorstandschefs Hartmut Ostrowski, der am liebsten Currywurst aß, sich mit dem Englischen schwertat und in seiner Freizeit im TuS Dormagen kickte. Manche Bertelsmänner schämten sich damals für die provinzielle Biederkeit, die das Unternehmen verkörperte.

Rabe schaffte es, Bertelsmann wieder auf Angriffs- und Wachstumskurs zu drehen. Er trennte sich von alten Geschäftsbereichen wie den Buchklubs, dem Tiefdruck und der CD-Produktion. Und er schaffte es, die Gütersloher Zentrale zum Macht- und Kraftzentrum auszubauen.

Rabe gilt als bescheidener Asket, der im Mini zur Arbeit fährt und Anzüge von der Stange trägt. Er ist eher der Mann für detaillierte Machbarkeitsstudien als für mitreißende Zukunftsvisionen. Er gilt als einer der besten Finanzmanager Deutschlands. Selbst seinen persönlichen Trainingsplan misst er mit einem ausgeklügelten Punktesystem.

Ansonsten hat Rabe es verstanden, sein Privatleben weitgehend aus der Öffentlichkeit rauszuhalten. Er schätzt gutes Essen und sammelt moderne Kunst. Er trinkt keinen Alkohol. Die Wochenenden verbringt er gerne in seinem Haus in Südtirol oder in seiner Berliner Wohnung am Gendarmenmarkt.

Mathias Döpfner begann seine Karriere 1982 als Musikkritiker im Feuilleton der „FAZ“. 1996 wurde er Chefredakteur der „Hamburger Morgenpost“ und traf bei einer Party auf Friede Springer. Oft wurde darüber spekuliert, dass Döpfner die Patriarchin an ihren einstigen Ehemann erinnerte habe. Der „Washington Post“ erzählte sie im vergangenen Sommer, dass sie in Döpfner – wie in sich selbst – „einen Außenseiter“ gesehen habe.

1998 beförderte sie den Zwei-Meter-Mann zum Chefredakteur der „Welt“. Als der Verlag 2002 einen neuen Vorstandsvorsitzenden suchte, drückte sie Döpfner gegen den Willen des Aufsichtsrates durch. „Sie sagten, er sei viel zu jung, er sei Musikkritiker und habe keine Ahnung vom Business“, so Springer. Doch sie hatte die nötigen Stimmen, um sich durchzusetzen.

Heute bezweifelt wohl niemand mehr, dass die Entscheidung für Döpfner dem Verlag gutgetan hat. Er hat aus einem Zeitungshaus, das bis dahin vor allem für seine Boulevardmedien mit „Bild“ an der Spitze bekannt war, ein modernes Digitalunternehmen gemacht. Trotz der Boulevardnähe hat Döpfner es geschafft, in der Öffentlichkeit als feingeistiger Kunstsammler und Intellektueller wahrgenommen zu werden. Er trägt seine Positionierung wie einen Regenmantel. Und sämtliche Skandale rund um „Bild“ sind einfach an ihm abgeperlt. Das hat sich in den vergangenen Jahren geändert. Der Eintritt auf den US-Markt hat zu mehreren Recherchen von amerikanischen Top-Medien geführt, die Döpfner geschadet haben.

Wer hat die bessere Medienpräsenz?

Mathias Döpfner will Axel Springer zum weltweit führenden Digital-­Publisher machen. Foto: Axel Springer

Erstaunlicherweise verfügen beide CEOs trotz großer Digitalaffinität nicht über ein Linkedin-Profil. Rabe ist seit fast zehn Jahren auf Twitter vertreten und erreicht dort etwa 8.800 Follower. Seine Posts zeigen ihn beim Sport oder wie er irgendetwas in die Kamera hält. Zu öffentlichen Debatten äußert er sich nicht. Döpfner nutzt am liebsten seine Hauszeitung „Welt“, um sich mitzuteilen. Einige seiner Leitartikel wie zum antisemitischen Anschlag in Halle und zur Coronapolitik führten zu Kontroversen.

2.013 deutschsprachige Pressebeiträge erwähnten Döpfner in den vergangenen zwölf Monaten. Rabe tauchte im gleichen Zeitraum nur in 660 Artikeln auf. Noch größer ist die Kluft bei der Zahl der Wikipedia-Seitenaufrufe oder den Social-Media-Nennungen. Doch da zeigt sich auch, wie sehr Döpfner inzwischen das Publikum spaltet. Von 44.100 Posts mit dem Keyword „Döpfner“ ver- zeichnete fast ein Viertel eine deutlich negative Tonalität. Damit dürfte der Springer-Chef zu den unbeliebtesten deutschen Konzernlenkern gehören.

Wer berät sie?

Thomas Rabe wird von der erfahrenen Kommunikationschefin und ehemaligen Chefredakteurin Karin Schlautmann beraten. Seit Anfang Oktober leitet der ehemalige DWS-Kommunikator Adib Sisani die globale Unternehmenskommunikation & Nachhaltigkeit von Axel Springer. Er folgt auf den ehemaligen Rechtsanwalt Malte Wienker, der vor seiner Rolle in der Konzernkommunikation als Chief of Staff für Döpfner gearbeitet hatte. In der Befragung unter Wirtschaftsjournalisten im Magazin „Wirtschaftsjournalist:in“ landeten Wienker und Schlautmann auf hinteren Plätzen, was für eine verschlossene Kommunikation spricht.

Bisherige Hoch- und Tiefpunkte?

In jeder langen Managerkarriere gibt es Höhen und Tiefen. Doch selten liegen sie so dicht zusammen wie bei Döpfner. Vor zwei Jahren schenkte Friede Springer Döpfner große Teile ihrer Aktien und übertrug ihm darüber hinaus die Stimmrechte aus ihrem verbleibenden Aktienpaket. Springer sprach selbst davon, mit Döpfner „ihren Nachfolger“ gefunden zu haben. Ein ungewöhnlicher Deal in deutschen Konzernen. Seitdem musste Döpfner nach langem Zaudern und „Bild“- Chefredakteur Julian Reichelt wegen Machtmissbrauchs im Zusammenhang mit Beziehungen zu Mitarbeiterinnen entlassen. Auch Vorwürfe von Drogenkonsum stehen im Raum.

Es tauchten zudem Chat-Nachrichten auf, in denen Döpfner Reichelt als den letzten Journalisten Deutschlands verteidigte, der gegen den „neuen, autoritären DDR-Staat“ aufbegehre. Die „Washington Post“ veröffentlichte E-Mails, in denen Döpfner amerikanische Angestellte aufforderte, für Trumps Wiederwahl zu beten. Döpfner konnte oder wollte sich zunächst nicht an die E-Mails erinnern. Plagiatsforscher fanden in Döpfners Doktorarbeit 28 abgeschriebene Passagen, die er ausgerechnet von einem Nazi-Sympathisanten übernommen haben soll.

Die „Süddeutsche Zeitung“ kam zu dem Schluss, „dass Döpfner endgültig in der Klasse der Milliardäre wie Elon Musk und Mark Zuckerberg angekommen ist, die ihre Selbst- und Öffentlichkeitswahrnehmung nicht einschätzen können.“ Der „Spiegel“ fragte nach einer Analyse von Döpfners Reden und Debattenbeiträgen: „Handelt es sich beim mächtigsten Medienmanager des Landes möglicherweise um einen politischen Wirrkopf?“

Der Sieger im CEO-Duell ...

... ist Thomas Rabe, der still, aber konstant kommuniziert und dabei die Interessen seines Unternehmens in den Vordergrund stellt. Döpfners Reputationsbasis als intellektueller Konzernmo- dernisierer hat in den vergangenen zwei Jahren tiefe Risse bekommen – wegen des Abschieds von Julian Reichelt, aber auch aufgrund politischer Äußerungen. Es ist zudem unklar, für welche Unternehmenskultur Axel Springer stehen will.


Janis Vougioukas ist Managing Partner der Kommunikationsberatung KEYNOTE.
Erschienen im Magazin KOM Ausgabe 5/22

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CEO-Duell: Medienstar und Erfolgsmanager